Wie hat sich der Index der Schwellenländer im Jahr 2021 geschlagen?
Während wir uns im vorherigen Beitrag detailliert mit der Jahresperformance des MSCI World beschäftigt haben, werden wir nun die Performance des wohl wichtigsten Schwellenländerindex, den MSCI Emerging Markets (EM), für das Börsenjahr 2021 unter die Lupe nehmen. Analog zu dem zunehmend von Unsicherheiten geprägtem ökonomischen Umfeld der Industrieländer sahen sich auch die Unternehmen der Schwellenländer mit zahlreichen Herausforderungen konfrontiert. Die Regulierungswelle des Technologiesektors in China, die Angst vor neuen Varianten des Coronavirus, Komplikationen in den globalen Lieferketten und die Krise um den hochverschuldeten Immobilienriesen Evergrande, die auf den internationalen Finanzmarkt überzuschwappen drohte – um nur einige dieser Herausforderungen zu nennen.
Im Gegensatz zum MSCI World, der trotz vieler Unsicherheiten neue Rekordstände am Ende des Jahres erreichte und den Anlegern somit kräftige Kursgewinne bescherte, fällt die Jahresrendite des MSCI EM negativ aus. Welche Faktoren diese Entwicklung begünstig haben und wie sich der Kurs des MSCI EM insgesamt im Jahr 2021 entwickelt hat, werden wir in diesem Beitrag untersuchen. Dabei werden wir auf folgende Faktoren eingehen:
- Renditeverteilung des MSCI EM im Jahr 2021
- Entwicklung der Top Positionen
- Entwicklung der kumulativen Gewichtung von Top 10, Top 20, Top 50 und Top 100
- Entwicklung der Sektorgewichtung im Jahr 2021
- Entwicklung der Ländergewichtung im Jahr 2021
Kursentwicklung des MSCI EM für 2021
Der MSCI EM verzeichnete für das Jahr 2021 eine negative Rendite. Ausgehend von einem Indexwert von 1292 Punkten zu Jahresbeginn, stand der MSCI EM (Kursindex ohne Dividenden) am letzten Tag des Jahres bei 1232 Punkten. Das entspricht einer Jahresrendite von -4,6 %. Die gesamte Kursentwicklung für das Jahr 2021 ist in Abbildung 1 dargestellt. Die Kurse entsprechen dabei den Tagesendkursen. Die Daten stammen direkt von MSCI. Nähere Informationen dazu findest du hier.
Zu Beginn des Jahres stellte der MSCI EM noch sein langjähriges Allzeithoch ein, welches er vor der großen Finanzkrise im Oktober 2007 mit 1337 Punkten erzielte. Im Januar und Februar erreichte der Index insgesamt 14 Allzeithochs, das vorerst letzte am 17. Februar mit 1445 Punkten.
Nach dem Erreichen des letzten Allzeithochs sackte der MSCI EM bis auf eine Erholungsphase im Sommer kontinuierlich ab. Aus diesem Grund erstreckt sich die Phase des Maximum Drawdown fast über das gesamte Jahr, von dem Allzeithoch von 1445 Punkten im Februar bis zum 20. Dezember mit einem Verlust von -17,6 %. In Abbildung 2 sind die Renditen der einzelnen Handelstage des Jahres 2021 abgebildet.
Der Hauptgrund für die enttäuschende Performance des MSCI EM war die Schwäche des chinesischen Aktienmarkts. Die Regulierungswelle im dortigen Technologiesektor sorgte für schwere Kurseinbrüche von Big Playern im MSCI EM wie Alibaba und Tencent. Da China mit einem Anteil von über 30 % im MSCI EM das dominierende Land ist, wirkten sich diese Kursrückschläge auch stark auf die Performance des MSCI EM aus. Die Aktienmärkte anderer Schwellenländer, wie Indien oder Taiwan, verzeichneten hingegen starke Kursgewinne im zurückliegendem Jahr.
Zusätzlich zum MSCI EM gibt MSCI auch noch den Index MSCI EM ex China aus. Dieser Index umfasst alle Schwellenländer mit Ausnahme von China. Der Kursverlauf des MSCI EM ex China für 2021 ist in Abbildung 3 dargestellt. Ohne China erzielten die restlichen Schwellenländer eine positive Rendite von 7,2 %. Zwar ist auch dieser Wert wesentlich schlechter als die Jahresrendite der Industrieländer von 20,1 %, aber er zeigt, dass im Wesentlichen die Schwäche des chinesischen Aktienmarkts für die negative Rendite des MSCI EM verantwortlich war.
Renditeverteilung des MSCI EM für 2021
In Abbildung 4 ist die tägliche Renditeverteilung des MSCI EM für das Jahr 2021 dargestellt. Das arithmetische Mittel der Renditen beträgt -0,014 % und die tägliche Volatilität 0,9 %. Dies entspricht einer jährlichen Volatilität von 15,1 %. Die Kursausschläge waren beim MSCI EM somit wesentlich ausgeprägter als beim MSCI World, der einen Wert von lediglich 11,3 % verzeichnete. Der Kurs des MSCI EM wurde von MSCI an 260 Handelstagen ausgewiesen. Davon verzeichneten 136 eine positive und 124 eine negative Rendite. Die Renditeverteilung für das Jahr 2021 zeigt die für Aktienrenditen typische Übergewichtung (Fat Tail) von hohen negativen Renditen. Die höchste Tagesrendite wurde am 24. August mit 2,6 % erreicht und die niedrigste am 26. Februar mit -3,2 %
Entwicklung der Top 20 Positionen des MSCI EM in 2021
In den letzten 15 Jahren hat sich der Fokus im MSCI EM ähnlich wie beim MSCI World verschoben. Bekleideten am Anfang noch vermehrt Aktien von Öl- und Rohstoffunternehmen die Top-Positionen, sind es jetzt vor allem Unternehmen aus dem Technologiesektor, die den Index dominieren. Auch in 2021 spielten chinesische Unternehmen aus dem Technologiesektor wie Alibaba, Tencent, Meituan, JD.com und Baidu etc. eine entscheidende Rolle. Dieses Mal aber eine andere als in den Jahren zuvor.
Seit die Regierung in Peking begonnen hat die mächtigen Tech-Konzerne in erheblichem Maß zu regulieren, geht es mit den Aktien kräftig bergab. Die Regulierungen reichen dabei von einem limitierten Zugang zu Online-Spielen, über Rekordstrafen in Milliardenhöhe wegen Marktmissbrauchs bis zur Blockierung von geplanten Börsengängen. [1][2] So verlor Tencent, der größte Gaming- und Social-Media-Anbieter Chinas, binnen weniger Tage rund 20 % seines Börsenwerts als die Regierung in Peking Onlinespiele als „spirituelles Opium“ deklarierte.
Da viele der betroffenen Unternehmen zu den wertvollsten der Schwellenländer gehören, hatten diese Kursrückgänge auch Auswirkungen auf die Zusammensetzung der Top-Positionen im MSCI EM. In Abbildung 5 sind die Top 20 Positionen und deren Gewichtung zum Anfang und Ende des Jahres angegeben.
Die Abbildung offenbart, dass die chinesischen Tech-Konzerne Alibaba, Tencent, Meituan, JD.com und Baidu, die zu Beginn des Jahres alle in der Top 10 des MSCI EM vertreten waren, erheblich in ihrer Gewichtung verloren haben. Allen voran Alibaba, dessen Anteil am MSCI EM von 5,6 % auf 2,7 % abgestürzt ist. Alle oben aufgelisteten Unternehmen verloren im Jahr 2021 mindestens ein Fünftel ihrer Marktkapitalisierung:
- Alibaba -49,0 %
- Baidu -31,1 %
- Meituan -24,0 %
- JD.com -22,3 %
- Tencent -19,8 % [3]
Dennoch gab es unter den Schwellenländeraktien auch positive Entwicklungen. Vor allem der Halbleiterhersteller Taiwan Semiconductor Manufacturing konnte seine Top Position mit einer derzeitigen Gewichtung von 7 % weiter ausbauen. Das Unternehmen profitierte einerseits von der Schwäche der chinesischen Tech-Konzerne, andererseits von dem globalen Halbleitermangel, der insbesondere die Autoindustrie schwer getroffen hat. Prognosen deuten daraufhin, dass dieser Mangel auch im Jahr 2022 fortbestehen wird. [4]
Die historische Entwicklung der Top 10 Positionen im MSCI EM für die letzten 15 Jahre findest du hier.
Entwicklung der kumulativen Gewichtung von Top 10, Top 20, Top 50 und Top 100 des MSCI EM in 2021
In den letzten zehn Jahren hat das kumulative Gewicht der Top 10 durch den Aufstieg der chinesischen Tech-Konzerne stark zugenommen und lag im Jahr 2020 sogar über 30 %. Dieser Trend hat sich im Jahr 2021 umgekehrt. In Abbildung 6 ist die Entwicklung für das Jahr 2021 dargestellt. Die Kurseinbrüche der chinesischen Tech-Konzerne haben zu einer Abnahme der kumulativen Gewichtungen geführt. So reduzierte sich der Anteil der Top 10 Positionen von 27,9 % auf 24,1 %. Ebenso reduzierte sich die kumulative Gewichtung der Top 100 von 56,1 % auf 52,7 %.
Die historische Entwicklung für die letzten 15 Jahre findest du hier.
Entwicklung der Sektorgewichtung des MSCI EM in 2021
Trotz der zunehmenden Regulierungen von chinesischen Tech-Unternehmen konnte der IT-Sektor seinen hohen Anteil weiter ausbauen und liegt am Ende des Jahres bei 22,7 %. Dies hängt damit zusammen, dass viele der von den Regulierungen betroffenen Unternehmen nicht dem IT-Sektor zugeordnet sind. Die großen Verlierer Alibaba, Meituan und JD.com werden dem Sektor Nicht-Basiskomsumgüter und Tencent sowie Baidu dem Kommunikationssektor zugeordnet. In Abbildung 7 ist zu sehen, dass beide Sektoren Verluste erleidet haben, insbesondere der Nicht-Basiskonsumgüter-Sektor hat mit 5 Prozentpunkten erheblich an Gewicht eingebüßt.
Entwicklung der Ländergewichtung des MSCI EM in 2021
In Abbildung 8 ist die Entwicklung der Gewichtung der Top 15 Länder des MSCI EM abgebildet. China ist weiterhin das dominierende Land. Dennoch hat das Reich der Mitte im Börsenjahr 2021 stark an Gewicht verloren. Hauptursache war die striktere Regulierung der großen Tech-Konzerne, die Chinas Gewichtung von 39,0 % auf 32,0 % stürzen ließ. Zu den großen Gewinnern gehören Taiwan und Indien, die jetzt zusammen fast 30 % des MSCI EM auf sich vereinen. Durch die starke Zunahme der Preise für fossile Brennstoffe verzeichneten auch Russland und Saudi-Arabien mit ihren Energiekonzernen hohe Zuwächse.
Anders als im MSCI World, in dem der Fokus auf die USA mit nun fast 70 % Gewicht weiter zugenommen hat, sorgte das Börsenjahr 2021 im Falle des MSCI EM für eine ausgeglichenere Gewichtung nach Ländern.
Außerdem war der MSCI EM im November 2021 von einer Revision auf Länderebene betroffen. MSCI klassifiziert Argentinien seit diesem Zeitpunkt nicht mehr als Schwellenland, sondern als „Standalone Market“, da sich die Zugänglichkeit zum dortigen Aktienmarkt verschlechtert hat. [5] Der argentinische Aktienmarkt hatte zu diesem Zeitpunkt nur einen geringen Anteil von ca. 0,18 % am MSCI EM.
Fazit
- Der MSCI EM hat im Jahr 2021 mit einer Jahresrendite von -4,6 % eine enttäuschende Performance hingelegt.
- Der Maximum Drawdown lag bei 17,6 %.
- Die Schwäche des MSCI EM hängt im Wesentlichen mit der Regulierungswelle in China zusammen. Viele der chinesischen Topunternehmen haben in 2021 erheblich an Wert verloren.
- Andere Schwellenländer wie Taiwan und Indien erzielten hingegen gute Ergebnisse. Dies zeigt sich auch anhand des MSCI EM ex China, der alle Schwellenländer bis auf China umfasst. Dieser Index legte über das Jahr um 7,2 % zu.
Quellen
[1] Manager Magazin: Online-Spiele als spirituelles Opium – Tencent-Aktie knickt ein
[2]: Der Spiegel, Alibaba kassiert Rekordstrafe und schreibt rote Zahlen
[3]: Yahoo Finance, https://finance.yahoo.com/
[4]: Wirtschaftswoche, Halbleitermangel: wie der Chipmangel entstanden ist und wie er überwunden werden kann
[5] MSCI, MSCI 2021 Market Classification Review